Das war der Gipfel

Das war der Gipfel

Polizeiapparat erprobt die urbane Aufstandsbekämpfung – trotz Mangels an Gegnern

Spätestens mit dem gelegten Feuer vor den Messehallen ca. eineinhalb Wochen vor dem OSZE-Gipfel Anfang Dezember war die Polizeipräsenz auf den Straßen der umliegenden Viertel merklich erhöht worden. Die Messe selbst wurde jeweils in Sichtweite von Polizeifahrzeugen umringt. Und dennoch machten sich nur wenige Nächte später bereits die nächsten Menschen auf den Weg zur Messe, um diese mit Farbe zu beschmeißen – anscheinend zu schnell oder zu diskret für die anwesende Polizei.

Das „Sicherheitskonzept“ für den OSZE-Gipfel selbst wurde von öffentlicher Seite stets mit Worten wie „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ a.k.a. „bürgernah“ vorgestellt. Man werde die Belastungen für die Anwohner_innen so gering wie möglich halten, aber an erster Stelle stehe selbstverständlich die Sicherheit des Gipfels.

Da nun alle Beteiligten wussten, dass es sich bei dem OSZE-Gipfel einsatztechnisch um einen Probelauf für den G20-Gipfel im Sommer handeln sollte, wurde der „Sicherheitsapparat“ schon vor diesem ersten Termin noch ordentlich aufgerüstet. Neue Maschinenpistolen sowie ordentliche Sturmgewehre, Helme, Westen und ein 500.000 € günstiger Panzerwagen mit dem netten Namen „Survivor“ wurden in den vergangenen Monaten angeschafft.

Je näher die Gipfeltage nun rückten, desto mehr nahm die Polizeipräsenz zu. „Belagerungszustand“ trifft es vermutlich besser, wenn die Bullen einfach 24 Stunden am Tag, an quasi jeder Ecke herumlungern, die Wege vollparken. Um die Langeweile erträglich zu machen und weil Bullen Bullen sind, wird dann natürlich auch immer mal wieder für Recht & Ordnung gesorgt und den ohnehin schon genervten Anwohner_innen auch noch gute Ratschläge u.ä. mit auf den Weg gegeben. Das Kopfschütteln im Viertel nahm also kontinuierlich zu.

Am Donnerstagmorgen war es dann endlich soweit: Die angereisten Außenminister_innen wurden mit Polizeieskorte in Konvois (US-Außenminister John Kerry hatte, wie erwartet, den längsten, MOPO) durch die abgesperrte Stadt gefahren, der Sicherheitsapparat hatte sich aufgestellt. Bereit standen:

13.200 Polizist_innen

700 Beamte aller deutschen Spezialeinheiten und der GSG9

18 Panzerwagen

22 Wasserwerfer

35 Boote

10 Hubschrauber der Länder-Polizeien und 25 Maschinen der Bundespolizei (alle Zahlen laut MOPO).

Darüber hinaus stand ein Abfangjäger der Bundeswehr bereit und das Messegelände wurde mit Hamburger Gittern, Betonklötzen, Bauzäunen und Natodraht gesichert. Das alles obwohl durchaus bekannt war, dass es keine größeren Proteste geben würde.

Das eigentliche Highlight für die Verantwortlichen dieses monströsen Einsatzes dürfte jedoch folgendes gewesen sein: die Fäden aller eingesetzten Einheiten laufen in einer neuen Kommandozentrale der Polizei zusammen. Über eine große Videowand und diverse weitere Bildschirme können die Einsatzleiter über die in Hamburg erstmals genutzte Software „Eurocommand“ überall live mit dabei sein.

Es können parallel Bilder verschiedenster Einsatzorte wiedergegeben werden. Diese Bilder stammen von Polizeieinheiten vor Ort, von Polizei-Hubschraubern, aber auch aus der Verkehrsüberwachung. Es soll hierdurch möglich sein, die vorhandenen Einheiten LIVE zu koordinieren, da diese mit Ortungstechnik ausgerüstet sind. Somit können sie von der Kommandozentrale aus über die Videowand strategisch und in Echtzeit aufgestellt werden. Ein Traum für jeden Feldmarschall.

Und was ist am Ende passiert? Fast nichts!

Angeblich fanden am Donnerstag fünf Demonstrationen statt, davon kann man mindestens zwei tatsächlich als solche bezeichnen. Die eine wurde letztendlich durch die Polizei beendet, weil die Außenminister zu Abend essen wollten, die andere wurde dermaßen mit Bullen überschüttet, dass die Demonstration selbst von außen schon lange nicht mehr wahrnehmbar war. Eine einzige, riesige, blau blinkende Bullenkaravane, kilometerlange Schlangen geparkter Einsatzfahrzeuge, Wasserwerfer, Pferde und x-tausend behelmte Schläger.

Den meisten Gegner_innen und potentiellen „Störenfrieden“ des Gipfeltreffens war von Anfang an klar gewesen was laufen würde. Man hielt es im Allgemeinen wohl nicht für nötig sich vom Staat vorführen UND verprügeln zu lassen und sah sich das ganze Spektakel mehr oder weniger gelassen an. Wohlwissend, dass im Sommer 2017 alles anders kommen werde.

[Einen gewissen Eindruck vermittelt das Video OSZE-Gipfel in Hamburg: Die am besten geschützte Demo der Welt]

Wofür am Ende der ganze Aufwand?

Der vermeintlich wichtigste Teilnehmer der Konferenz (Kerry) hatte sich noch vor dem Mittagessen wieder verdrückt. Die anderen brachten das Treffen zwar noch hinter sich, zu einer gemeinsamen Abschlussrede/Ergebnis/Whatever kam es jedoch wie zu erwarten nicht. Zack. Hat sich doch gelohnt.

Das Fazit des Polizeisprechers fällt dennoch wie zu erwarten positiv aus: „Der Einsatz ist wirklich wie am Schnürchen gelaufen“ sagte Zill. „Wir sind sehr, sehr zufrieden.“ So ist das vermutlich, wenn man alles an Einsatzkräften- und material herankarrt, was man in die Finger kriegt, um dann am Ende doch allein damit im Sandkasten zu sitzen und mit sich selbst spielen zu müssen.

Da kann man schon mal „sehr sehr“ zufrieden sein, wenn knapp 14.000 Bullen nicht über ihre eigenen Füße stolpern.

Wie am Schnürchen wird es jedoch kaum laufen, wenn im Sommer 2017 etwa 100.000 Gipfelgegner_innen die Messehallen und das Rathaus belagern, die halbe Stadt lahmlegen und den „Sicherheitsapparat“ auf die Probe stellen. Wir hatten beschlossen, uns an der jetzigen staatlichen Machtdemonstration nicht zu beteiligen – es war keineswegs das vermeintlich bürgernahe Kommunikationskonzept der Bullen, das den Protest klein gehalten hat. Und WIR haben uns entschieden im Sommer dafür um so mehr los zulegen. Wir sind viele und wir sind entschlossen, diesen Gipfel zu einem Desaster zu machen.